Kriegsende – Neuanfang?

Nun waren sie also da, die von vielen Kölnerinnen und Kölnern sehnlichst erwarteten, von anderen gefürchteten Befreier und Besatzer. Wie reagierten die Einheimischen auf die nun grundlegend veränderte Lage? Mit welchen Gefühlen begegneten sie den Siegern?

Die meisten freuten sich wohl vor allem auf ein Ende der Luftangriffe, was für sie nach den traumatischen Erfahrungen der vergangenen Wochen mit dem Ende des Krieges gleichbedeutend war. In dieser Hinsicht ging für sie mit dem Einmarsch der US-Truppen ein Gefühl von Befreiung einher.

Schon bald aber vermischte sich die erste Erleichterung mit unerfüllten Erwartungen. Ansprüche entwickelten sich so schnell wie das Unverständnis für Anordnungen und Verbote der Sieger wuchsen. Die Erleichterung machte Bedrückung und Perspektivlosigkeit Platz.

Kriegsende – Neuanfang?

Ankunft der Sieger

6. März 1945: Weiße Fahnen an der Aachener Straße (NS-DOK)

Nachdem die US-Truppen am 5. März 1945 Kölner Boden betreten hatten, näherten sie sich unaufhaltsam dem Stadtzentrum, wobei sie von der Bevölkerung mit einer Mischung aus Angst, Unsicherheit und Hoffnung erwartet wurden. Zugleich zogen sich letzte kleine Wehrmachtseinheiten in oft ungeordneter Form Richtung Rhein zurück, um so noch dessen östliches Ufer zu erreichen. Ihnen folgten – nahezu auf dem Fuß – die ersten US-Verbände, die vielerorts von weißen Fahnen und Tüchern erwartet wurden.

Angesichts der durch die NS-Propaganda zuvor geschürten Änfdergste zeigten sich die Bewohner der Vororte hinsichtlich des Verhaltens der Amerikaner positiv überrascht. Ein älterer Beamter der Reichspostdirektion empfand deren Auftreten nach einem ersten Zusammentreffen am Abend des 5. März in Müngersdorf als „zurückhaltend und korrekt“.

Die US-Soldaten wurden zumeist überaus freundlich, teilweise sogar herzlich empfangen. Schulterklopfen, Freibier und Wein, Musik - man bedachte den siegreichen bisherigen Feind zunächst mit allem Angenehmen, das man noch zu bieten hatte.

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"Gegen 17 Uhr begann der Kampf um die Panzersperre. Schüsse im Süden zeigten, dass die Amerikaner dort schon weiter vorgedrungen waren und im Stadtwald schon heftige Kämpfe stattfanden. (…) An der Sperre erscholl wilder Kampflärm. Die Ari des Gegners schoss und traf zweimal die Stirnfront des Caritashauses im Westen. Maschinengewehre und Pistolen knatterten. Panzerfäuste traten in Aktion. Die Panzer schossen. Das zog sich fast eine Stunde so hin, und wir dachten schon, daß sich der Übergang doch erst am Dienstag vollziehen werde. Wir schlichen vorsichtig zum Essen ins Krankenhaus. Wegen der Ari-Gefahr wurde im Keller gegessen. Kaum hatten wir mit dem ersten Teller begonnen, da kam eine Schwester in den Kellergang geeilt und flüsterte: ‚Sie sind da.‘ " (Tagebucheintrag Heinz Pettenberg, 5.3.1945)

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"Wir stehen kurz vor der Befreiung. Alles geht hoffentlich gut. Wir sind unbeschreiblich glücklich. Nur ein bitterer Wermutstropfen, Ihr fehlt. Aber so Gott will, sehen wir uns gesund wieder. Folgt keinem Räumungsbefehl! Ich habe es auch nicht getan." (Brief Elsbeth von Ameln an ihre Eltern, 4.3.1945)

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"Gegen Morgen hören wir zwei Panzer langsam über die Dürener Straße heranrollen. Sie verharren, eröffnen aus ihren Geschützen das Feuer auf nahe Ziele und rollen langsam wieder zurück. Wir nehmen an, dass es Amerikaner waren, aber es folgt Ruhe. Also noch nicht die Entscheidung. Die Nerven sind jetzt zum Zerreißen gespannt. Bald ergeben sich Kampfbilder. Kleine Häufchen deutscher Infanterie fallen zurück. Ein paar Tanks rollen Richtung Köln. Ab und zu schlägt eine Granate in der Nähe ein. Über die Decksteiner Straße gehen ein paar Feldgraue, die Maschinenpistole unter den Arm geklemmt, mit Dreck bespritzt. Der eine redet mich an. (…) Und dann fragt er mit einem entsetzlich hilflosen Gesichtsausdruck, was denn nun geschehen solle. Es ist die Frage eines Mannes, der sechs Jahre gekämpft hat, verbissen und tapfer, ohne sich viel nach den Grundlagen zu fragen, und dem nun eine Welt zusammenbricht, hoffnungslos und verzweifelt." (Tagebucheintrag Heinz Pettenberg, 5.3.1945)

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"Die deutschen Truppen verlassen Köln, ein jämmerlicher Haufen, der von Köln kommend in Richtung Rodenkirchen zieht. Viele sind betrunken und viele werfen die Panzerfäuste weg. Einen Teil versorgen wir bei uns mit Kaffee (Muckefuck), wovon wir nicht genug am Nachmittag kochen konnten. Vater traf dann auch bei uns ein und brachte einen Kameraden mit. Wir waren alle nervlich sehr angespannt." (Tagebucheintrag des am Takuplatz wohnenden J.K., 5.3.1945)

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"Montag, 5. 3. 45. 8.00 wieder zum Volkssturm Platenstraße. 6 km steht die Front frühmorgens. Zeitweise tolles Ari-Feuer. Einige Verletzte in der Nachbarschaft. Vereinzelt kommen Soldaten zurück. Im ganzen noch nicht 10 Mann, darunter 1 Ari-Leutnant, ausgehungert, werden hier von Frauen, die am Bunker stehen, bewirtet, mit Kuchen, Eiern, Kaffee usw. Mittags 12.00 Front am Rande von Ossendorf. Wie lange noch? 14.00, die SS geht rund und holt alle Männer aus den Wohnungen, ich muss mich hier einschließen. Bin seit einigen Stunden auf dem zweiten Speicher, um mir die Schlacht um Ossendorf anzusehen. 15.20 erschienen die ersten Amerikaner auf der Iltisstraße mit ca. 10 Panzern und Panzerspähwagen ohne einen Schuss." (Tagebucheintrag des am Takuplatz wohnenden J.K., 5.3.1945)

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"Gegen 7.00 am 5.3. früh wird das Feuer so lebhaft, dass wir in den Luftschutzraum gehen u. uns auf alles gefasst machen. Herr Pütz behauptet, dass die Amerikaner noch heute eintreffen würden. (…) Einzelne deutsche Soldatengruppen kommen zurück. Unsere Batterie hinter dem Bahnübergang schweigt, sie ist gegen Morgen abgefahren, nachdem sie gestern und heute Nacht wie wild gefeuert hatte. (…) Nach einer Stunde heißt es, die Amerikaner seien an der Kreuzung Militärring- und Wendelinstraße. Von deutschen Soldaten ist nichts mehr zu sehen. Die letzten sind über die Militärringstraße vor zwei Stunden weggegangen. Sie haben ein Auto in Brand gesteckt und die Militärringstraße vermint. Ich gehe zum Kirchplatz mit Herrn Mayer. Die amerikanischen Soldaten haben das Eckhaus von Hackenbroich besetzt und stehen auf der Straße. Wie im Kinospiel gucken die Kerle aus den Fenstern. Benehmen zurückhaltend und korrekt. Wir freuen uns, dass für uns der Krieg aus ist und sind traurig, dass die Fremden da sind. " (Tagebucheintrag Hans Diefenbach, 5.3.1945)

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Ohnehin verfielen Teile der Bevölkerung in einen angesichts der Umstände irreal und verzweifelt anmutenden Feierrausch, wozu die in zahlreichen Kellern zerstörter Häuser und insbesondere in den großen, von NS-Seite angelegten Depots lagernden Alkoholika erheblich beitrugen, die in großem Maßstab geplündert wurden.

Das Plündern entwickelte sich schnell zu einem Phänomen, das die Tage im Köln unmittelbar vor, aber auch noch eine geraume Zeit nach dem 6. März prägte. Zahlreiche der in der Stadt verbliebenen Einwohner nutzen diese kurze chaotische, jegliche Normen negierende Spanne, um sich nach entbehrungsreichen Kriegsjahren mit all dem zu versorgen, was sie so lange vermisst hatten. Zeitweise schienen in dieser Hinsicht alle Dämme zu brechen, was beispielsweise darin gipfelte, dass die Menschen in aufgebrochenen Depots in Butter geradezu wateten.

Während das Interesse der deutschen Plünderer vorwiegend auf Nahrungsmittel, Alkoholika und Gegenstände des täglichen Bedarfs gerichtet war, konzentrierten sich US-Soldaten neben alkoholischen Getränken eher auf Souvenirs in unterschiedlichsten Formen. Neben Uhren waren besonders Antiquitäten und NS-Relikte begehrtes Sammelgut. Aufgrund des Einschreitens der Militärregierung wurden solche Erscheinungen jedoch schnell eingedämmt.

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"Nachmittag gegen 4 Uhr gingen wir zum Eigelstein. Was wir dort sahen, war niederdrückend. Deutsche plünderten Häuser und Geschäfte aus: Betten, Möbel, Schuhe, Lebensmittel, Läufer und Stoffe wurden herausgeschleppt. Diese Plünderungen hielten tagelang an. Was nicht mitgenommen wurde, wurde zerschlagen und zertrampelt. Dazu zogen auch amerikanische Soldaten zu zwei bis drei durch die Häuser, rissen alle Schränke und Schubladen auf; begehrt waren von ihnen vor allem Alkoholika, Armbanduhren und Schmucksachen. " (Pfarrer Paul Fetten, 7.3.1945)

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"Heute Sonntag. Gehe nicht zum Antreten, sondern lasse bestellen, dass ich verlagert sei mit meiner Dienststelle. Es ist sehr unruhig. Es schießt im Westen und Nordwesten. Währendem kommen Leute aus dem Fort, beladen mit allerlei, das Fort wird geplündert. Gegen 18.00 gehe ich auch hin und hole mir etwas. Gerate auf die Seite, wo es Wein und Schnaps gibt. Viele schleppen ganze Kisten fort. Die Goldfasanen haben dort ein großes Lager mit allen Dingen, die sonst fehlen, für sich unterhalten. Betrunkene am Weg. Lat uns noch enen op de Sieg drenke . Die Leute sind wie ausgelassen. Im Artilleriefeuer wird nach Hause geschleppt und gefahren. Manche kommen mit großen Karren. Ich habe sieben Flaschen Kognak erobert und schleppe sie nach Hause. " (Tagebucheintrag Hans Diefenbach, 6.3.1945)

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"In allen Teilen der Stadt ziehen Zivilisten durch Geschäfte und Wohnungen — und plündern. Sie sehen sich in ausgebombten Wohnungen nach allem um, was an Wertgegenständen noch gefunden und benutzt werden kann. Der gesamte private Besitz ist zum Eigentum der ‚breiten Masse‘ geworden." (Wochenbericht der Militärregierung, 21.3.1945)

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"Gegen 10.00 kommen amerikanische Soldaten. Sie beginnen in Trupps von 2 bis 5 Mann die Häuser zu durchsuchen und wollen zu trinken haben. Sie sind sehr angeheitert, grüßen mit Gute Nacht. Sie verlangen nach Kognak, nach Revolver, nach Wein und fragen nach Soldaten, um ins Haus kommen zu können und alles zu durchsuchen. Ich opfere eine halbe Flasche, und nachdem ich mit ihnen getrunken habe, ziehen sie lachend ab. Andere kommen nach um nachzusehen, verlangen dann aber zu trinken. Es wirkt sich verheerend aus, dass die Leute in Müngersdorf aus dem Fort den vielen Alkohol zu Hause haben. Nachdem die Soldaten das gemerkt haben, suchen sie in allen Häusern. " (Tagebucheintrag Hans Diefenbach, 6.3.1945)

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"Ich habe nie von einem Krieg gelesen, in dem die Soldaten nicht geplündert hätten, und dieser war bestimmt keine Ausnahme. Köln war die erste große deutsche Stadt, die eingenommen wurde, und vielleicht geschah das Plündern zum Teil aus reiner Neugier. Die GIs wollten sehen, wie die Häuser aussahen, wie der Feind wohnte, was er in seiner Wohnung hatte. Es war das Land des Feindes und war ihm von Männern abgenommen worden, die bei jedem Schritt von Omaha Beach bis hierher ihr Leben riskiert hatten. Sie brauchten einen handgreiflichen Nachweis für ihre Leistung. (…) Nachdem die ‚Souvenir‘-Leidenschaft sich gelegt hatte, stellte sich wieder ein weitgehend normales Verhalten gegenüberfremdem Eigentum ein." (Margaret Bourke-White aus Köln, März 1945)

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"Der gestrigen Patrouille sind heute früh mehr Männer gefolgt. Die beiden Nachbarhäuser sind beschlagnahmt. Sie waren von den Bewohnern verlassen. Die Männer sind zurückhaltend und höflich. Man hört kein lautes Wort. In den benachbarten Straßen hängen überall, wie auch hier, weiße Tücher aus den Fenstern. (…) Dass unsere neuen Mitbewohner sich zunächst nach den Weinvorräten umgesehen haben, finde ich zwar bedauerlich, aber verständlich. Als unsere Truppen noch in siegreichem Vormarsch waren, sind sie den guten Tropfen in den verschiedenen Ländern ja auch nicht gerade zimperlich gegenüber gewesen. " (Tagebuchnotiz Wolfgang Michels, 7.3.1945)

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6. März 1945: Ein toter Wehrmachtssoldat auf einer Kölner Straßenkreuzung (Dr. Franz Rieder)

Während einige Vororte längst von US-Truppen besetzt waren, versuchten einige Volkssturmeinheiten noch immer, die ihnen erteilten sinnlosen Befehle bis zur letzten Konsequenz auszuführen und - von sämtlichen Wehrmachtsverbänden und politisch Verantwortlichen längst im Stich gelassen - Köln zu verteidigen.

So machte sich etwa Otto Greve, dessen Volkssturm-Bataillon bei einer Sollstärke von 600 lediglich neun schlecht bewaffnete Männer zählte, in der Nacht zum 6. März befehlsgemäß auf den Weg, um die amerikanischen Verbände am Stadtwald in Lindenthal aufzuhalten. Nachdem er dort in einem Keller vorschriftsgemäß eine „Befehlsstelle“ eingerichtet hatte, ging er mit einer „Nachtpatrouille“ dem Feind entgegen. Als einer der betagten Späher dabei auf einen US-Kampfverband stieß, schickte der ihn mit der Bemerkung „Opa zurück!“ Richtung Innenstadt, - nicht ohne ihm zuvor Schokolade für Frau und Kinder sowie folgende Nachricht mitzugeben: „Amerikanische Soldaten kämpften nur gegen die deutsche Wehrmacht.“

Nicht für alle Volkssturmmänner endete die Nacht auf den 6. März 1945 so glimpflich. Einige von ihnen ließen aus falsch verstandener Pflichterfüllung noch ihr Leben in einem völlig aussichtslosen Kampf.

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"Nach dem Abendessen heißt es: ‚Meine Herren, die Stunde des Handelns hat geschlagen, Einsatzbefehl!‘ Wir sehen uns alle verdutzt an. Also: Der Feind ist in die westliche Abwehrfront vor Köln eingedrungen und drückt unsere Kameraden auf die Stadtgrenze zurück. Um die Kameraden in die neue Abwehrlinie aufzunehmen, geht das Bataillon in Stellung. (...) Meine Herren, ich verlasse mich auf Sie, guten Abend!‘ Uff! Der große Winnetou hat gesprochen! Wie beim Planspielen. Ist denn der Befehlshaber so wirklichkeitsfremd, alte, waffenunkundige Männer wie kriegsfertige Soldaten gegen den Feind zu werfen? " (Tagebucheintrag des Volkssturmangehörigen Otto Greve, 5.3.1945)

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"Die Venloer Straße liegt dunkel vor uns, die Panzer rumpeln und poltern am Westbahnhof. Vorsichtig tasten wir uns an den Hauswänden vor, suchen nach einem geeigneten Kellereingang für die Befehlsstelle. Da bricht vor uns ein Stein aus einer Trümmerwand, kullert auf die Straße, erschrocken lauschen wir, was noch folgt. Schon blitzen Mündungsfeuer am Bahnhof vor der Überführung auf, es zischt, pfeift, prasselt auf der Straße. In einem geeigneten Keller teile ich die Züge ein. Der MG-Führer ist ein Wiener Oberleutnant. Wir hören Abschuss und gleich darauf kracht es auf dem Ring. Die Salven nähern sich. Der Oberleutnant springt hinaus ‚MG sichern!‘ Schon kracht es wieder, wir haben gar keinen Abschuss gehört, bald darauf stolpert ein Melder vom MG herein: ‚Volltreffer, vom Oberleutnant und MG nichts mehr zu finden.‘" (Tagebucheintrag des Volkssturmangehörigen Otto Greve, 5.3.1945)

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"Wir schleichen heimlich still an den Ruinen entlang. (...) Schritte kommen auf uns zu. Wir bleiben stehen, lassen näher kommen, da flüstert es etwas von ‚Melder‘. Ich gehe auf die Stimme zu: ‚Hier Hauptmann Greve. Was ist los?‘ ‚Ha! Gott sei Dank‘ haucht er außer Atem, taumelt auf mich zu. Ich fange ihn auf, er ist völlig erschöpft und flüstert aufgeregt durcheinander: ‚Gefangen, entwaffnet, nach Hause geschickt.‘ Wir geleiten den Melder in einen Hausflur, reden ihm beruhigend zu. ‚Wer ist gefangen?‘ ‚Oberleutnant Winter.‘ ‚Wer hat ihn entwaffnet?‘ ‚Der Ami.‘ ‚Und der hat ihn auch nach Hause geschickt?‘ ‚Jawohl.‘ Unglaublich, doch ganz unmöglich. Phantasiert der Mann, hier soll bereits der Ami bestimmen? (...) Der hat ihn entwaffnet. Als sie ihn zurückriefen, haben sie ihm für Frau und Kinder Schokolade gegeben, damit sie keine Angst haben, denn amerikanische Soldaten kämpften nur gegen die deutsche Wehrmacht.‘" (Tagebucheintrag des Volkssturmangehörigen Otto Greve, 5.3.1945)

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"Wir schleichen äußerst vorsichtig an den Hecken der Vorgärten entlang, lauschen, Toreingang frei, da stolpere ich über einen Mann, sein Mantel ist blutgetränkt, meine Hände sind klebrig. Ein erledigter Posten, wer ist es? Ausgerechnet ein alter Beamter des 7. Reviers, ein bewährter, guter Kamerad. (...) Melder Hans? Nicht zurück. Auch geschnappt. Somit stehen wir in der Front des Feindes, vom linken und rechten Flügel in die Zange genommen. Keine Bewegungsfreiheit mehr. (...) Noch ist ja ein Weg zum Bataillon frei. Dort werde ich unfreundlich empfangen, man hält mir vor: Aufnahme des Kampfes verweigert, Kampflinie eigenmächtig verlassen. (...) Jetzt erinnern wir uns erst an den Führerbefehl, dass Truppenführer, die ohne schwere Verwundung ihre Stellung eigenmächtig verlassen, ihren Kopf verlieren. Der deutsche Soldat stirbt doch da, wo er steht, so haben wir es ja gehört. Dieses sinnlose ‚Verheizen‘ von Menschen will mir nicht in den Kopf. Stalingrad!" (Tagebucheintrag des Volkssturmangehörigen Otto Greve, 5.3.1945)

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Drei Generationen einer Kölner Familie mit weißer Fahne im Hauseingang, März 1945 (Dr. Franz Rieder)

Am Abend des 6. März begannen die im linksrheinischen Köln verbliebenen Menschen zu realisieren, dass der Krieg für sie ein Ende gefunden hatte. Nachdem der gesamte Tag von einer aus seiner Sicht „ungeklärten Lage“ und der Frage geprägt gewesen war, ob die US-Truppen denn nun und, falls ja, wo in Köln einmarschiert seien, erlangte der in der Südstadt wohnende Arzt Wolfgang Michels gegen 19 Uhr endgültige Klarheit. „Vor wenigen Minuten, im letzten Büchsenlicht, kam ein Stoßtrupp von circa 30 Mann durch die Volksgartenstraße, als ich am Hauseingang stand. Erst bei näherem Zusehen und beim Hören ihrer Sprache erkannte ich, dass es feindliche Soldaten waren.“

Damit war er gekommen, der von vielen gefürchtete, von anderen erhoffte Augenblick. Nun waren es nicht mehr NS-Größen und deren willfährige Gehilfen und auch nicht die Wehrmacht und ihre Befehlshaber, die über das Leben in der Stadt bestimmten, sondern wildfremde Menschen mit anderer Sprache und anderen Gewohnheiten. An diese galt es sich nun allmählich anzupassen. Bei aller an den Tag gelegten – und nicht selten wohl auch vorgetäuschten – Freundlichkeit dürfte auf Seiten der Kölner Bevölkerung Skepsis und Unsicherheit dominiert haben. Wie würde sich der nahezu allmächtige Sieger nun gegenüber den Besiegten verhalten, die in ihrer großen Masse behaupteten, schon immer „dagegen“ gewesen zu sein?

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"Fast unmerklich hat sich nach der ungeheuren Spannung und Aufregung der letzten Tage der Übergang vollzogen, der aus dem Dritten Reich in ein zunächst undurchschaubares Niemandsland führt, der eine geschichtliche Periode abschließt. Und sogleich sind alle Zungen gelöst, und wie ein Sturzbach ergießt sich die zwölf Jahre lang gehemmte Redefreiheit. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass sich ein betonter Nationalsozialist in dem Raum befinde, der gestern noch die Uniform getragen habe, aber er ist nicht mehr zu erkennen." (Tagebucheintrag Heiz Pettenberg, 5.3.1945)

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Erwartungen und RealitÄten

6. März 1945: US-Panzer „parken“ auf dem Gehweg einer Kölner Straße. Aus den Fenstern hängen zahlreiche weiße Fahnen. (Dr. Franz Rieder)

Der unmittelbar nach dem Einmarsch der US-Truppen aus der Londoner Emigration nach Köln zurückgekehrte Werner Hansen machte interessante Beobachtungen. „99 % der hier gebliebenen Bevölkerung“, so berichtete er am 15. März, seien glücklich darüber, „dass der Krieg für sie zu Ende ist und dass die Zeit der Nazi-Herrschaft vorbei ist“. Es herrsche, so ergänzte er einen Monat später, eine „echte und tiefe Freude“ darüber, dass es „keine SS-Leute und politischen Leiter mehr in Köln und keine Bomben über Köln“ gebe. Daher könnten die Kölner nun wieder das tun, was sie so gern täten: lachen.

Für Hansen war es „sehr interessant zu beobachten, wie die Menschen reagieren“, wenn man sie ansprach. „Bei vielen bricht es heraus wie ein Strom, sie schreien fast, und es ist schwer aufzufassen, was sie sagen wollen.“ Der Inhalt sei aber wohl ohnehin zweitrangig. „Dass sie so aufschreien und alles aus sich heraussprudeln lassen dürfen, scheint ihnen schon eine gewisse Erlösung zu sein.“

Gleichzeitig blickte der Rückkehrer nicht ohne Skepsis in die nähere Zukunft, denn er machte die in der Bevölkerung weit verbreitete Erwartung aus, „dass nun alles sehr schnell besser“ würde. Es gebe „phantastische Ansichten“ über die von amerikanischer Seite zu erwartenden Hilfeleistungen, und nur sehr wenige Kölnerinnen und Kölner würden realisieren, „dass die amerikanische Armee Deutschland als ein feindliches Land“ betrachte, mit dem es sich nach wie vor im Krieg befand.

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"Ich bin etwa acht Tage lang in Uniform in der Stadt unterwegs gewesen. Ich habe dabei mit vielen Menschen zu tun gehabt. Alle waren außerordentlich hilfsbereit. Ich habe keinen einzigen feindlichen oder ablehnenden Menschen gesprochen. Ich habe rührende Szenen erlebt, die mich tief bewegt haben. Niemals werde ich eine alte Arbeiterfrau vergessen, die mich weinend umarmte, vor Glück und vor Freude, weil die Nazis nun weg und wir da waren. " (Bericht Werner Hansen, 27.3.1945)

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"Es war schrecklich. Fünfeinhalb Jahre Krieg waren zu viel. Als alles vorbei war, fühlten wir uns, als wären wir befreit worden, und wir waren zutiefst enttäuscht, als Sie hier ankamen und sich uns gegenüber verhielten, als seien wir Ihre Feinde. (…) Aber auch wir einfachen Bürger haben schrecklich gelitten. Haben Sie keinerlei Sympathie für unsere armen Bürger hier in Köln empfunden, die Art und Weise, wie sie in Kellern leben müssen und wie sie ihr gesamtes Eigentum verloren haben? Wir Deutschen sind wirklich die Poverelli Europas geworden. " (Fräulein Opladen gegenüber US-Offizier Hartshorne, März 1945)

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"Die meisten glauben, dass nun alles sehr schnell besser werden wird. Eine Mittelstandsfrau z.B. fragte mich mit vollem Ernst, wann denn nun die amerikanische Armee Bohnenkaffee an die Bevölkerung verteilen würde. (…) Die Konsequenzen, die sich daraus noch in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren ergeben werden, wenn die wirklichen Schwierigkeiten anfangen werden, mögen schwerwiegend werden. Vorläufig ist aber von Seiten der Bevölkerung - trotz mancher unangenehmer Zwischenfälle, die sich daraus ergeben, dass eine Armee Feindesland betritt - die Stimmung den Amerikanern gegenüber so, dass sie als eine Befreiungsarmee betrachtet werden. " (Bericht Werner Hansen, 27.3.1945)

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"Die meisten Deutschen glaubten nach dem Kriegsende, mit der Einstellung der Feindseligkeiten ist alles Vergangene vergeben und vergessen; wie nach einem Boxkampf reicht man sich zu einem Freundschaftsakt die Hände; man trifft nunmehr die Vorbereitungen für den friedlichen Aufbau. " (Erinnerung Bernhard Hilgermann, später Geschäftsführer der Kölner IHK)

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Drei Kölnerinnen retten ihre Habe, 7. März 1945 (NS-DOK/National Archives and Records Administration, Washington D.C.)

Werner Hansen machte weitere bedenkliche Verhaltensmuster in der Kölner Bevölkerung aus: „Sie möchten schnell vergessen“, was dazu führe, dass die offenbar labile Fassade aus Erleichterung und Freude bald zu bröckeln begann. Die „Schwierigkeiten dieser Übergangszeit“ wurden lediglich in der ersten Phase der Besetzung von der Erleichterung darüber „übertönt“, „dass es keine Bombenteppiche mehr gibt“.

Ein erkennbarer Umschwung im öffentlich Stimmungsbild deutete sich spätestens im April an, als es nach den massiven Plünderungen der Tage um den 6. März zu ersten spürbaren Versorgungsengpässen kam, die bereits während des Krieges die Stimmung immer wieder erheblich beeinflusst hatten: „Es gibt natürlich bereits wieder Klagen über die Ernährung, die schlechter geworden ist als unter den Nazis.“

Dass sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch immer im Krieg befand, wurde im linksrheinischen Köln bereits wenige Tage nach dessen Besetzung offenbar schon gar nicht mehr wahrgenommen. So, wie sich kaum ein Einheimischer die Frage nach den Ursachen und der Verantwortung für diesen Weltkrieg stellte, war der weitaus größte Teil der Bevölkerung scheinbar auch nicht in der Lage, die aus der zwölfjährigen NS-Herrschaft und den Folgen des Krieges resultierenden Probleme vom Standpunkt der Sieger aus zu betrachten.

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"Man halte mich nicht für kalt und gefühllos, wenn ich den Gefühlen, die mich seit Beginn dieser Aufzeichnungen bewegen, bisher keinen Ausdruck gegeben habe. (…) Sie führen in meinem Inneren einen ständig sich fast aufreibenden Kampf. Neben der Trauer um das furchtbare Schicksal, welches unserm armen, gedemütigten Vaterlande zugedacht zu sein scheint, stehen die Verwünschungen aller, aber auch aller, die dieses unausdenkbar Grässliche durch Instinktlosigkeit, Überheblichkeit und Größenwahn verschuldet haben, steht die dankbare Liebe zu den Millionen alter und junger Männer, die in blindem Gehorsam Leib und Leben hingaben und immer noch hingeben müssen, um für eine aussichtslose, durch unfähige Diplomaten nur noch verschlimmerte Lage zu kämpfen, zu leiden und zu sterben, steht andererseits die wenn auch traurige Hoffnung, dass bei dem anscheinenden unaufhaltsamen Vormarsch der Alliierten endlich das zwecklos gewordene Morden ein Ende nehmen möge." (Tagebucheintrag Wolfgang Michels, 4.4.1945)

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" Die Bevölkerung von Köln denkt jetzt nur über das Überleben nach, bis Friede, Wärme und Ruhe wiederkommen. " (Zeitungskorrespondent Paul Holt aus Köln, 8.3.1945)

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"Gewiss, Linde-Kühlhäuser und das Proviantamt haben ihre Vorräte, die ja nach NS-Auffassung Allgemeingut darstellen, zum Teil an die Bevölkerung verteilt. Auch sind in Weinhandlungen, die durch das letzte Bombardement fast zerstört waren, die Reste herausgeholt worden ebenso wie Schuhwerk aus den Kellern von zerstörten Geschäften. Aber das hat 1 – 2 Tage gedauert. Aber jetzt herrscht völlige Ruhe in der Stadt. Die Bevölkerung ist durch die letzten Ereignisse gedrückt, sucht in den Trümmern der Häuser sich eine Wohnstätte zu schaffen, steht Schlange an den Bäcker-Läden und hofft auf eine irgendwie geartete Stabilisierung der Verhältnisse. " (Tagebucheintrag Wolfgang Michels, 7.3.1945)

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Kölnerinnen passieren US-Panzer, nachdem sie an einer der wenigen Zapfstellen Wasser geholt haben, 6. März 1945

Auch der Journalist Josef Hofmann stellte überrascht fest, dass „Leute, die das Kommen der Amerikaner herbeigesehnt“ hatten, sich nach deren Ankunft sehr enttäuscht darüber zeigten, dass die Besatzer den bisherigen Feinden „nicht um den Hals“ fielen, sondern sich zunächst strikt an das offizielle Gebot der „Non-Fraternisation“ hielten. „Diesen Leuten klarzumachen“, dass die Amerikaner zuvor unter nicht geringen Verlusten den deutschen Widerstand erst hatten brechen müssen, habe sich als „keine leichte Aufgabe“ erwiesen.

Stattdessen sei der „normale Deutsche“ nun froh, „weil er den Krieg gründlich satt hat und nun denkt, die Sache sei für ihn erledigt“. Über die eigene Zukunft besitze die große Mehrheit allerdings kaum klare Vorstellungen und ihre Anpassung an die Besatzung bestehe vor allem darin, „lammfromm zu akzeptieren, was nicht zu beeinflussen ist“ - und ansonsten abzuwarten. Zugleich hoffte man auf den Wiederaufbau, wobei sich aber kaum jemand vorstellen konnte, wie der überhaupt zu bewerkstelligen sein sollte.

Schnell mischten sich zugleich auch kritische Töne in die Beurteilung der Militärregierung. Deren Akteuren, so urteilte etwa der Kölner Stadtdechant Grosche sehr früh, fehle „anscheinend jede Erfahrung“, um eine Verwaltung in Gang zu setzen, die den schwierigen Kölner Verhältnissen gewachsen wäre. „Gäben sie nur den deutschen Männern rechte Freiheit“, lautete die unverblümte und angesichts der jüngsten deutschen Geschichte recht befremdliche Forderung des Geistlichen.

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"Die Bürger hier sind die unangenehmsten, die wir bisher in Deutschland getroffen haben. Wir hatten Schwierigkeiten mit vielen von denen, die in den besseren Vierteln Kölns wohnen, die bis jetzt nicht zu begreifen scheinen, dass sie besiegt sind." (Bericht von US-Korrespondent Hal Boyle aus Köln, 7.3.1945)

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"Wir wunderten uns über die Fügsamkeit der Menschen. Die großen Nazis waren über den Rhein geflohen und die Zivilisten, die geblieben waren, bemühten sich eifrig, ihren neuen Herren zu gefallen." (Margaret Bourke-White aus Köln, März 1945)

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"Die Erfahrungen, die wir seit einigen Wochen in den von uns besetzten Gebieten sammeln konnten, belegen jedoch, dass das unmittelbare Gefühl der Erleichterung rasch wieder verschwindet, und dass der heftige Anti-Nazismus am Tag nach dem Verschwinden der Nazis nicht mit tiefen pro-alliierten Gefühlen einhergeht." (Wochenbericht der Militärregierung, 21.3.1945)

Kriegsende – Neuanfang?

Zeitzeugen

Die Menschen erlebten das Kriegsende zwischen März und Mai 1945 ebenso unterschiedlich wie sie die persönlichen und die politischen Folgen für Deutschland empfanden. Für viele markierte die Ankunft der Alliierten insbesondere das Ende der Bombenangriffe. Für andere stellte sie tatsächlich und im Wortsinn eine Befreiung dar, nachdem sie in den Jahren zuvor seitens des NS-Regimes diskriminiert, verfolgt und nicht selten inhaftiert worden waren. Für nicht wenige Kölner*innen kam der Untergang des NS-Regimes hingegen einer Katastrophe gleich, hatten sie zuvor doch fest auf dem Boden der NS-Rassenideologie gestanden oder zumindest leichtgläubig den Versprechungen der Propaganda geglaubt.

Einige von Ihnen erinnerten sich Jahrzehnte später vor der Kamera ihrer damaligen Empfindungen. Das, was sie dabei zu Protokoll gaben, ist hier in kurzen Auszügen zugänglich.

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GÜnther Roos

wurde am 4. Juni 1924 in der rheinischen Kleinstadt Brühl geboren, wurde 1930 in der katholischen Franziskusschule eingeschult und wechselte 1935 auf das örtliche Gymnasium. Bereits früh zeigte der sich von der öffentlichen Präsenz des Deutschen Jungvolks stark beeindruckt und stieg hier bis zum Jungstammführer auf. Günthers Denken und Handeln war von einem ausgeprägten Machtstreben bestimmt. Er ging vollkommen in der NS-Ideologie auf.

Als er nach dem Reichsarbeitsdienst im Oktober 1942 zur Wehrmacht einberufen wurde ging für Günther ein Traum in Erfüllung. Auch hier zeigte er Aufstiegsambitionen und schlug die Offizierslaufbahn ein. Bis zum Kriegsende wurde er sowohl an der Ostfront, im Rahmen der Ardennenoffensive sowie bei der Verteidigung der Stadt Köln eingesetzt, bis er schließlich im „Ruhrkessel“ gefangen genommen wurde.

Es dauerte bis Ende der 1980er Jahre, bis Günther Roos zu einem überaus ehrlichen und ungeschönten Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit fähig war und seine eigene Verstrickung ins NS-Regime einer kritischen und ehrlichen Reflexion unterziehen konnte.

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Gisela SchÄfer

wurde am 17. September 1924 in Köln geboren und wuchs im Stadtteil Ehrenfeld auf. Da ihr Vater bereits im August 1934 starb, musste ihre Mutter die Familie allein versorgen. Während ihrer Schulzeit wurde Gisela Mitglied in der NS-Jugendorganisation BDM und stieg bis zur Gruppenführerin auf. Seit 1940 war sie ehrenamtlich im BDM-Gesundheitsdienst tätig. Zugleich engagierte sie sich in der katholische Pfarrjugend St. Peter und leitete auch hier verschiedene Jugendgruppen. Sie sah für sich keinen Gegensatz zwischen ihrem kirchlichen Einsatz und der Führertätigkeit für den BDM.

Nach dem Besuch einer „gehobenen Mädchenschule“ begann Gisela Schäfer im Jahr 1941 eine kaufmännische Ausbildung, die sie 1943 abschloss. Nach zahlreichen Einsätzen für den Gesundheitsdienst im BDM arbeitete sie am Kriegsende und in der Nachkriegszeit aufgrund im St. Franziskushospital in Köln.

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Rudolf Heimann

wurde am 1. Januar 1929 als Sohn aktiver KPD-Mitglieder in Köln Deutz geboren. Erwuchs im Arbeitermilieu auf und wurde atheistisch erzogen. 1936 zog die Familie in die GAG-Siedlung Neurath nach Köln-Höhenhaus.

Rudolf verweigerte sich dem HJ-Dienst und verbrachte seine Kindheit als „Straßenkind“ in Höhenhaus. 1943/44 absolvierte er eine Metzgerlehre, bis er im September 1944 zum Schanzeinsatz am Westwall eingezogen wurde. Nachdem er von hier geflohen war, wurde Rudolf einer HJ-Strafkompanie zugewiesen und wurde Anfang 1945 als Sechszehnjähriger zum „Volkssturm“ eingezogen. Auch dem drohenden Fronteinsatz entkam er durch Flucht.

Nach Kriegsende wurde Rudolf Heimann Mitglied der KPD und baute als FDJ-Funktionär die kommunistische Jugendorganisation in Köln mit auf. Von 1950 bis 1955 studierte der überzeugte Kommunist Journalismus in Leipzig und kehrte danach nach Köln zurück.

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Heinrich Lohmer

wurde am 17. August 1920 in Köln geboren und wuchs in einem katholischen Elternhaus auf. Der Vater, Stadtarzt in Köln, vertrat von 1919 bis 1933 die katholische Zentrumspartei im Stadtrat. Im Mai 1933 legte er sein Mandat aus politischen Gründen nieder.

Heinrich wechselte 1930 nach der Volksschule auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Als so genannter „Vierteljude“ durfte er nicht in die HJ eintreten. 1937 verließ die Schule und absolvierte eine Lehre als Industriekaufmann bei dem Ehrenfelder Betrieb Mauser, der ihn 1939 übernahm.

1940 wurde Heinrich Lohmer zur Wehrmacht eingezogen und in Russland und Finnland eingesetzt. Im August 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und im Messelager inhaftiert, wenige Wochen später als „Nichtarier“ aus der Wehrmacht entlassen. Im Februar 1945 entzog er sich dem Volkssturm und erlebte das Kriegsende in Köln.

Kriegsende – Neuanfang? | Zeitzeugen

Inge Ritter

wurde am 16. September 1927 in Köln-Klettenberg geboren. Die Eltern sind überzeugte Nationalsozialisten, so dass auch Inge von früher Kindheit an eng und gern in das NS-System eingebunden ist. Nach der Volksschule besuchte sie ab 1937 das städtische Lyzeum Weyerthal.

1943 übersiedelte Familie Ritter im Rahmen der Aktion zur „Stärkung des Volkstums im Ausland“ nach Böhmen. Noch am 20. April 1945 Trat Inge Ritter als „Geschenk an den Führer“ aus der Kirche aus und glaubte fest an den „Endsieg“. Das Kriegsende erlebte sie in Böhmen, wo sie wie alle Deutschen im Mai 1945 von Tschechen interniert wurde.

Im November 1945 kehrte sie nach Köln zurück und holte am Apostelgymnasium ihr Abitur nach. Auf den Zusammenbruch des NS-Regimes reagierte Inge Ritter mit absoluter Ratlosigkeit. Erst eine Psychoanalyse in den 1970er-Jahren half ihr, sich mit ihrer Vergangenheit und Familiengeschichte auseinandersetzen.

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Marianne Gegenfurtner

wurde am 12. Januar 1912 in Köln geboren und wurde katholisch erzogen. Sie war in der katholischen Jugend aktiv. Von 1918 bis 1926 besuchte die Volksschule, danach für zwei Jahre die Handelsschule, um danach zunächst als Kontoristin zu arbeiten. Seit 1930 war bei dem Röntgenarzt Dr. Lohmüller tätig - zunächst als Sekretärin, später als Röntgenassistentin.

Dem NS-Regime stand Marianne Gegenfurtner kritisch gegenüber. Auch Dr. Lohmüller, der mit dem schweizerischen Generalkonsul Rudolf von Weiss verkehrte, lehnte es ab. Gemeinsam halfen sie Kölner Juden bei ihrer Flucht. Den Zweiten Weltkrieg erlebte sie mit Mutter und Schwester in Köln. Danach arbeitete sie weiterhin in der Praxis Lohmüller.

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Wilhelm Knabben

wurde am 5. August 1920 in Köln-Mülheim geboren, wo er mit drei älteren Schwestern in einem katholischen Elternhaus aufwuchs. Sein Vater war als Studienrat am Gymnasium in Köln-Mülheim. Zu Beginn der 1930er.Jahre trat Wilhelm der katholischen Jugendorganisation „Neudeutschland“ bei, in der er bis zu deren Verbot tätig war. Pro forma trat er in die HJ ein.

Nach Abitur und Reichsarbeitsdienst wurde Wilhelm Knabben zur Wehrmacht einberufen. Er nahm am Westfeldzug teil, nach dessen Ende er zum Medizinstudium nach Köln abkommandiert wurde. Beim schweren Bombenangriff auf Mülheim verlor er 28. Oktober 1944 eine Schwester. Die Familie wurde daraufhin evakuiert.

Das Kriegsende erlebte Wilhelm Knabben als Student in Erlangen. Bereits kurz danach konnte er sein Studium in Münster fortsetzen.

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Charlotte Nasse

wurde am 12. Juli 1926 als Einzelkind in Köln geboren, wo sie in einem sozialdemokratischen Elternhaus in der Südstadt aufwuchs.1934 musste ihr Vater, der dem NS-Regime ablehnend gegenüber stand, deshalb seine Stelle als städtischer Auktionator aufgeben. 1939 wurde er verhaftet und für drei Jahre in einem Arbeitslager in der Eifel inhaftiert, bis er schließlich noch zur Wehrmacht eingezogen wurde.

Charlotte absolvierte von 1941 bis 1943 eine Lehre als chemisch-technische Assistentin bei den Tropon-Werken in Köln-Mülheim. 1944 wurden Mutter und Tochter nach Weingarten bei Ravensburg evakuiert.

Ende Juli 1945 kehrte die gesamte Familie nach Köln zurück. Ihre unzerstörte Wohnung war von einem stadtbekannten Nationalsozialisten belegt, der sich weigerte, sie freizugeben, ohne dass die Stadtverwaltung eingegriffen hätte. Diese erneute Demütigung setzte Charlotte Nasses Vater schwer zu.

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Ilona MÜller-Schwedhelm

wurde am 18. Juli 1927 in Bremen geboren. 1934 zog die Familie nach Köln, wo sich der Vater 1938 das Leben nahm. Mutter Lola versorgte ihre drei Kinder fortan allein.

Ilona besuchte nach der Volksschule die Antoniterschule. Nach Schulabschluss und „Pflichtjahr“ absolvierte sie den Reichsarbeitsdienst in Rheinbach bei Bonn, um danach bis zum Kriegsende ihren Kriegshilfedienst in Köln abzuleisten. Erst Anfang März 1945 verließ sie die Stadt Richtung Oberbergisches, wo sie Mutter, Großmutter und Schwester wiedertraf. Ihr Bruder Aladar war als Soldat an der Ostfront umgekommen.