Ein in Gefangenschaft geratener Funktionär der Kölner NSDAP wird abgeführt, 6. März 1945. (NS-DOK)
Zumindest im Rückblick erscheint es erstaunlich, dass nur wenige der hier geschilderten Taten in der Nachkriegszeit geahndet wurden, wobei das Strafmaß für die Täter dann sehr niedrig ausfiel.
Zunächst lag die Verantwortung für Ermittlungen und Gerichtsverfahren bei der Besatzungsmacht, die im Rheinland Mitte 1945 von den Amerikanern auf die Briten überging. Obwohl ja bereits im Laufe des Jahres 1945 hinsichtlich der im Frühjahr im rechtsrheinischen Köln verübten Morde schwere Vorwürfe gegen einige der Täter erhoben worden waren, stand zunächst die Bewältigung von Alltagsproblemen im Fokus der Arbeit der Militärregierung. Es dauerte bis Ende 1947, bis deren „Field Investigation Section“ Ermittlungen in den hier dargestellten Fällen aufnahm, potenzielle Täter verhaftete, internierte und verhörte. Jene Männer, gegen die ein hinreichender Tatverdacht vorlag, wurden am 23. Juli 1948 dem Alliierten Gerichtshof der Kontrollkommission in Köln vorgeführt. Die einzige bislang nachweisbare konkrete Verhandlung vor einem alliierten Gericht fand dort dann offenbar im Herbst 1948. Einer knappen Notiz Zeitungsnotiz war zu entnehmen, dass Christian Müller und Johann Morher wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ zum Tode verurteilt worden waren.
Die Todesurteile wurden jedoch nie vollstreckt, ohne dass bislang Gründe für deren Aufhebung bekannt wären. Da die Morde im Zwangsarbeiterlager „Gremberger Wäldchen“ später nicht mehr vor deutschen Gerichten verhandelt wurden, ist davon auszugehen, dass sie völlig ungesühnt blieben – obwohl die Täter bekannt waren und sie ihre Taten zumindest in Teilen eingestanden hatten. Diese Untätigkeit ist kaum nachvollziehbar und wohl doch zeittypisch.
Ähnlich liegen die Dinge im Fall Höhenberg/Vingst. Obwohl die Briten intensiv ermittelt hatten und Ortsgruppenleiter Hans Labenz – allerdings noch immer fest davon überzeugt, nichts Unrechtes getan zu haben! - seine Tat unumwunden zugegeben hatte, wurde gegen ihn offenbar nie Anklage erhoben. Möglicherweise ist er bereits 1948 oder 1949 verstorben. Aber auch die übrigen an den Morden in der Würzburger Straße Beteiligten blieben von deutschen Gerichten völlig unbehelligt.
Das galt im Übrigen auch für den Vingster Ortsgruppenleiter Karl Dobrowolski, der in den letzten Monaten des Krieges in seinem „Herrschaftsbereich“ offenbar ganz besonders grausam gewütet hatte und nach Kriegsende mehrfach angezeigt worden war.
Von den drei Fällen, deren Akten die Briten am 15. Juli 1949 dem Kölner Generalstaatsanwalt mit der Aufforderung übergab, weitere Schritte zu unternehmen, wurden einzig die Vorgänge in Deutz seit September 1949 weiterverfolgt. Im Oktober 1950 wurde gegen Georg Schwarz, Wilhelm Derix und Hans Morher vor dem Kölner Landgericht wegen gemeinschaftlichen Totschlags verhandelt, während der ebenfalls stark belastete Josef Dederichs völlig unbehelligt blieb und lediglich als Zeuge vernommen wurde. Dass er im Zuge der Verhandlung einen der Briten, der ihn 1948 verhört hatte, als „Judenbengel“ beschimpfte, ließ das Gericht ungesühnt, weil er „in verständlicher Erregung gesprochen habe“.
Auch der Staatsanwalt brachte den Angeklagten Verständnis entgegen. Man müsse, so erklärte er, bei der Strafzumessung die „Zeitumstände“ berücksichtigen. Die Angeklagten hätten lediglich versucht, für „Ordnung“ zu sorgen und die Bevölkerung vor Plünderungen zu bewahren, weshalb er ihnen „mildernde Umstände“ zuzustehen bereit war. Dass die zahlreichen deutschen Plünderer dann genauso rigoros hätten bestraft werden müssen, war dem Anklagevertreter kein Wort wert. Schwarz und Derrix wurden statt zu Zuchthaus- lediglich zu Gefängnisstrafen verurteilt, Morher sogar freigesprochen.
Gegen dieses Urteil legten die Verurteilten Einspruch ein, dem im Oktober 1952 in Teilen stattgegeben wurde. Daraufhin kam es im Frühjahr 1953 zu einer neuerlichen Verhandlung. Mehrere Zeugen bescheinigten Derrix nunmehr eine „anständige“, ja sogar „ritterliche“ Einstellung. Plötzlich glaubte ihm das Gericht auch, dass er den Befehl zur Erschießung des Ukrainers nicht habe ausführen, sondern ihm zur Flucht habe verhelfen wollen. Ein Vorsatz sei jedenfalls nicht zweifelsfrei feststellbar, weshalb Derrix mangels Beweisen freigesprochen wurde, während die Verurteilung von Georg Schwarz zu drei Jahren Haft bestätigt wurde.
Der legte dagegen erneut Berufung ein, der vom Bundesgerichtshof stattgegeben wurde, was im Herbst 1954 zu einer weiteren Verhandlung führte. In deren Verlauf schlug dem ehemaligen Ortsgruppenleiter laut Presseberichterstattung im Gerichtssaal nicht nur große Sympathie entgegen, sondern man traute ihm nunmehr wegen positiver „Charaktereigenschaften“ den Erschießungsbefehl gegen den ukrainischen Zwangsarbeiter nicht mehr zu. Plötzlich hielt man es aber für möglich, dass der freigesprochene Derrix die treibende Kraft gewesen sein könnte. Auf Antrag des Staatsanwalts wurde Schwarz daher „in dubio pro reo“ freigesprochen.
Derart ermutigt strebte er nun auch hinsichtlich der Ermordung des niederländischen Zwangsarbeiters seine vollständige Rehabilitierung an. Tatsächlich fand am 20. April 1956 – wiederum vor dem Kölner Schwurgericht – eine neuerliche Verhandlung in dieser Angelegenheit statt. Obwohl das Gericht wusste, dass allein Schwarz als Volkssturmführer zur Erteilung solcher Befehle berechtigt war, fehlte ihm der „sichere Beweis“ dafür, dass Schwarz die Hinrichtung des Niederländers angeordnet habe.
Als wichtigster Entlastungszeuge trat ausgerechnet Hans Morher auf, der seine mehrfach bestätigte frühere Aussage zurücknahm und plötzlich behauptete, nicht Schwarz, sondern wiederum der bereits freigesprochene Derrix habe ihm den besagten Befehl erteilt. Das Gericht kam in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass nach elf Jahren „das Dunkel über dem Tode des Holländers (…) im Zeichen immer mehr abbröckelnder Zeugenaussagen“ nicht mehr zu lichten und Georg Schwarz daher „wegen Mangels an Beweisen“ auch von diesem letzten verbliebenen Vorwurf freizusprechen sei.
Letztlich wurde keines der in Deutz, Höhenberg, Vingst und im Gremberger Wäldchen verübten Verbrechen gesühnt. Man verzichtete auf die Eröffnung von Verfahren, und das einzige, das tatsächlich durchgeführt wurde, endete letztlich mit Freisprüchen.
Auch die übrigen Taten zogen keinerlei ernsthafte Konsequenzen nach sich. Georg Schwarz war zwar von April 1946 bis Oktober 1948 interniert, wurde in seinem Entnazifizierungsverfahren in Gruppe III eingestuft, mit einer geringen Geldbuße bestraft und in den Rang eines Inspektors in der Kölner Stadtverwaltung degradiert. Als er 1949 pensioniert wurde, zahlte ihm die Stadt Köln aber wie selbstverständlich seine Rente. Wilhelm Derix wurde nach 1½-jähriger Internierungshaft Anfang 1948 entnazifiziert, in die Kategorie V der Unbelasteten eingestuft und anschließend als Motorschlosser bei der Straßenbahnverwaltung der Stadt Köln eingestellt.
Alle übrigen Täter blieben nach heutigem Quellenstand ohne jede Sanktionen. Auch Josef Frank, der sowohl in Deutz als auch im Gremberger Wäldchen durch seine ungezügelte Brutalität aufgefallen war, blieb, nachdem er zunächst abgetaucht und erst 1954 wieder nach Köln zurückgekehrt war, straffrei. Ein gegen ihn angestrengtes Verfahren wurde 1954 aufgrund der Bestimmungen des Straffreiheitsgesetzes eingestellt.